Persönliche Zukunftsplanung und ihr Beitrag zu Veränderungen der Lebenssituation

Kategorie Projekt

Ausgangslage und Ziele

Eine «Persönliche Zukunftsplanung» unterstützt Menschen mit einer Beeinträchtigung darin, über ihre eigenen Vorstellungen, Wünsche und Ziele für ihr Leben nachzudenken und diese Ziele umzusetzen, um sicher und gut leben zu können. Dazu werden verschiedene Methoden eingesetzt. Das Nachdenken über die konkrete Gestaltung des Lebens, sowie das Entdecken von Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten stehen im Zentrum der Planung. Zur Unterstützung dieser Veränderungen wird eine Gruppe von Personen (Unterstützerkreis genannt) aufgebaut. Der Unterstützerkreis, ein wichtiger Faktor in der Persönlichen Zukunftsplanung, hilft bei der Erarbeitung eines Aktionsplans, um die nächsten Handlungsschritte gemeinsam mit der planenden Person anzubahnen. Das Ziel ist die Verbesserung der Lebensqualität, das Finden von individuellen Lösungen und die Ermöglichung eines selbstbestimmten Weges. Eine Persönliche Zukunftsplanung wird durch ausgebildete Moderatorinnen und Moderatoren begleitet.

Projektleitung

Judith Adler Titel lic. phil.

Fakten

  • Dauer
    11.2015
    01.2018
  • Neue Projektnummer
    3_12

Projektteam

  • Pia Georgi-Tscherry

Finanzielle Unterstützung

Fragestellung

Das von der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik in Zürich durchgeführte Forschungsprojekt untersucht den Beitrag zu Veränderungen bei Menschen mit Beeinträchtigung durch eine Persönliche Zukunftsplanung. Dazu wurden die von den planenden Personen (planende Personen sind Personen, welche eine Persönliche Zukunftsplanung für sich in Anspruch nehmen) subjektiv erlebten und wahrgenommenen Veränderungen in ihrer Lebenssituation nach einer persönlichen Zukunftsplanung untersucht. Es wurden Veränderungsprozesse auf der individuellen Ebene der Person mit Beeinträchtigung und auf der kontextuellen Ebene untersucht. Denn die Umsetzung von Persönlicher Zukunftsplanung ist abhängig vom Kontext und von der Bereitschaft und Veränderung der Unterstützungssysteme. Des Weiteren stand im Fokus der Untersuchung, ob eine Persönliche Zukunftsplanung Einfluss auf die Lebensqualität der planenden Personen nehmen kann.

Methodisches Vorgehen

Es wurde ein qualitatives Untersuchungsdesign mit partizipativen Elementen angewendet. Mit 4 Personen wurden problemzentrierte Leitfadeninterviews (Witzel, 1985) durchgeführt, die bereits eine Planung gemacht hatten. Alle Interviews wurden vollständig transkribiert und mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (Mayring, 2010) ausgewertet, um relevante Prozesse und Veränderungen entdecken und dokumentieren zu können.

Auf der Basis der erhobenen Interviewdaten sowie vor dem Hintergrund des Konzeptes der Lebensqualität wurden die Daten analysiert, und somit eine objektivierte Beschreibung der Veränderungen in der Lebenssituation vorgenommen.

Ergebnisse

Eine befragte Person beschreibt die Veränderungen durch eine Persönliche Zukunftsplanung folgendermassen:

«Das ist wirklich so, als ob man ein Fenster aufmacht, und die Rollläden hochzieht, und plötzlich merkt man: Draussen scheint ja die Sonne. Und man ist frei, man kann eigentlich hingehen wo man will, und so.» (A4: Z.450)

Auf der individuellen Ebene erleben sich die planenden Personen als Akteur in dem Sinne, dass sie ihre eigenen Interessen und Wünsche einbringen können. Zudem konnten Sie verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten prüfen und sich für bestimmte Handlungen entscheiden, mit denen die Umsetzung ihrer Ziele verfolgt werden konnten. Dies wird als Stärkung wahrgenommen und wirkt nach Aussagen der befragten Personen auch über das Planungs- oder Zukunftstreffen hinaus. Der Unterstützerkreis denkt und plant mit im moderierten Planungs- oder Zukunftstreffen. Die planenden Personen werden befähigt, diese neuen Umsetzungsmöglichkeiten selber anzugehen, um ihre Interessen und Ziele weiter zu verfolgen. Es konnten bei allen Personen kleinere oder grössere Veränderungen erreicht oder Entwicklungsräume und Entwicklungsmöglichkeiten entdeckt oder erschlossen werden. In den untersuchten Planungen betrifft das Entwicklungen im Bereich der Ausbildung, der Arbeit und beim Wohnen.

Auf der kontextuellen Ebene wurden in der Untersuchung selbstbestimmte Wege insbesondere von Unterstützungsangeboten oder Organisationen ermöglicht, deren Ziel die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigung ist. Diese Strukturen und Angebote vertreten gegenüber bisherigen Angeboten eine veränderte Haltung und nehmen die Wünsche und Interessen zur Gestaltung der individuellen Lebensentwürfe auf. Sie können die planende Person in der Umsetzung ihrer Ziele unterstützen und es werden neue Wege und Veränderungen hinsichtlich vermehrter Teilhabe möglich. Durch die untersuchten Planungen wurden nicht direkt die bestehenden Unterstützungssysteme verändert, aber es zeigt sich, dass eine Zusammenarbeit und Unterstützung durch neuere, teilhabeorientierte Angebote ausserhalb des institutionellen Settings grössere Veränderungen möglich macht.

Bei der Suche nach solchen unterstützenden Angeboten übernehmen die Moderatoren und -innen sowie der Unterstützerkreis eine entscheidende Rolle.

Eine abschliessende Beurteilung der Veränderung der Lebensqualität der untersuchten Personen ist nicht möglich, da nur die in der Folge der Planung für die Person relevanten Lebensbereiche untersucht wurden. Es kann jedoch von einer (individuell unterschiedlich grossen) Zunahme der Lebensqualität in verschiedenen Lebensbereichen ausgegangen werden.

Zusammenfassend kann eine Zunahme von Wertschätzung und Selbstbestimmung festgestellt werden, indem vermehrt Wünsche wahrgenommen, Entscheidungen getroffen und die eigenen Interessen vertreten werden. Es werden neue Beschäftigungs- und Entwicklungsgelegenheiten sowie Unterstützungsangebote mit veränderter Wertehaltung sichtbar.

Es bleibt zu hoffen, dass noch mehr Personen mit Beeinträchtigung von den Veränderungen durch eine Persönliche Zukunftsplanung profitieren können, um Wahlmöglichkeiten für sich zu entdecken, und das eigene Leben selbstbestimmt gestalten zu können. Dies entspricht dem Auftrag zur Veränderung, welcher sich die Schweiz durch die Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention (BRK) verpflichtet hat.

Finanzierung

Die vorliegende Studie wurde von Vereinigung Cerebral Schweiz in Auftrag gegeben und finanziert. Die Studie wurde von der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik in Zürich durchgeführt. Projektleitung: lic. phil. Judith Adler (Leitung); Pia Georgi MA UZH

Publikationen

  • Adler, J., & Georgi-Tscherry, P.
    (2018).
    Als ob man die Rollläden hochzieht und draussen scheint die Sonne. Persönliche Zukunftsplanung (PZP) und ihr Beitrag zur Veränderung im Leben von Menschen mit Beeinträchtigung.
    Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik,
    24
    (7-8),
    20–27.
  • Adler, J.
    (2016).
    Personenzentrierte Zukunftsplanung für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. „Ich will vom Alter noch etwas haben“.
    Curaviva,
    87
    (9),
    50–53.
  • Adler, J.
    (2016).
    Zukunftsplanung von Familien mit erwachsenen Söhnen und Töchtern mit intellektueller Behinderung. Die Wirkung eines Kursangebots und der Unterstützungsbedarf der Familien.
    In T. Sturm, A. Köpfer, & B. Wagener (Hrsg.),
    Bildungs- und Erziehungsorganisation im Spannungsfeld von Inklusion und Ökonomisierung
    (S. 400–409).
    Julius Klinkhardt Verlag.