Erwerbsunterstützung mündlicher Textfähigkeiten im Kindergarten - EmTiK

Kategorie Projekt

Ausgangslage und Ziele

Das Ziel des EmTiK-Projekts war die Erforschung des Zusammenhangs zwischen dem erwerbsunterstützenden Lehrpersonenhandeln und den mündlichen Textfähigkeiten von Kindergartenkindern. Im Verlauf des ersten und des zweiten Kindergartenjahres nahmen 60 Lehrpersonen und 280 Kindern an drei Erhebungen teil (Pre-Post-Followup-Design). Die Lehrpersonen der Interventionsgruppe erhielten zwischen der ersten und zweiten Erhebung eine Weiterbildung. Die hatte einen positiven Effekt auf das Verhalten der Lehrpersonen, jedoch hatte die Erwerbsunterstützung durch die Lehrpersonen lediglich einen tendenziellen positiven Effekt auf die durchschnittlichen mündlichen Textfähigkeiten der Klassen.

Projektleitung

Fabio Sticca Titel Prof. Dr.

Funktion

Professor für Diagnostik und Förderung sozio-emotionaler und psychomotorischer Entwicklung

Fakten

  • Dauer
    10.2022
    12.2023
  • Neue Projektnummer
    2_24

Projektteam

  • Dieter Isler

Finanzielle Unterstützung

Ausgangslage

Sprachhandlungen wie Berichten, Erzählen oder Erklären sind für schulisches Lernen in allen Fächern von hoher Relevanz. Je nach ihren familiären Erwerbskontexten haben junge Kinder aber unterschiedlich Erfahrungen damit. Im Kindergarten können alle Kinder - unabhängig von ihrer Herkunft - mit solchen «mündlichen Texten» vertraut werden. Damit sind konzeptionell schriftliche, aber medial mündlich realisierte Sprachproduktionen gemeint, die a) solistisch produziert werden, b) distante Inhalte sprachlich repräsentieren, c) textuell strukturiert sind und d) genrespezifische Merkmale aufweisen. Mündliche Textfähigkeiten erwerben Kinder bei der Bearbeitung kommunikativer Aufgaben durch Modelllernen und zugeschnittene Unterstützung. Die Ausgestaltung von Gesprächen durch Kindergarten-Lehrpersonen ist deshalb ein Schlüsselfaktor für ihre Förderung.

In der Interventionsstudie «Erwerbsunterstützung mündlicher Textfähigkeiten im Kindergarten» (EmTiK) wurde der Zusammenhang zwischen dem erwerbsunterstützenden Lehrpersonenhandeln und den mündlichen Textfähigkeiten der Kinder überprüft. Bearbeitet werden drei Hauptfragen:

  1. Wie entwickeln sich die mündlichen Textfähigkeiten der Kinder vom Anfang bis zum Ende des Kindergartens?
  2. Lässt sich das kommunikative Handeln von Lehrpersonen in Alltagsgesprächen durch eine Weiterbildung weiterentwickeln?
  3. Wirkt sich ein optimiertes kommunikatives Handeln auf den Erwerb mündlicher Textfähigkeiten durch die Kinder aus?

Methoden

In einem Pre-Post-Followup-Design mit Interventions- und Kontrollgruppe wurden zu Beginn des ersten Kindergartenjahres sowie zu Beginn und am Ende des zweiten Kindergartenjahres bei 60 Lehrpersonen und 280 Kindern Daten erhoben. Bei den Lehrpersonen wurde die Qualität des erwerbsunterstützenden Handelns im Kindergartenalltag eingeschätzt, bei den Kindern wurden die mündlichen Textfähigkeiten beim Nacherzählen eines Trickfilms beurteilt. Beide Instrumente wurden im Projekt EmTiK-Pilot vorgängig entwickelt. Die Lehrpersonen der Interventionsgruppe erhielten zwischen der ersten und zweiten Erhebung eine Weiterbildung, die aus einem Online-Kurs, einem individuellen Videocoaching und gemeinsamen Videoanalysen in Kleingruppen bestand. Nach Abschluss der Erhebungen erhielten die Lehrpersonen der Kontrollgruppe dieselbe Weiterbildung als Anreiz. Die statistischen Auswertungen zur Überprüfung der Hypothesen erfolgten mittels cross-lagged Modellen.

Ergebnisse

Sowohl die Interventionsgruppe als auch die Kontrollgruppe zeigten über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren einen Zuwachs in ihren mündlichen Textfähigkeiten. Dieser Zuwachs von etwa 50% zwischen dem Herbst des ersten und dem Frühsommer des zweiten Kindergartenjahres bestätigt die Bedeutung dieser Phase für die Entwicklung mündlicher Textfähigkeiten. Die Intervention hatte nachweislich und nachhaltig einen positiven Einfluss auf die Erwerbsunterstützung der Lehrpersonen. Es konnte allerdings nicht nachgewiesen werden, dass die Zugehörigkeit zur Interventionsgruppe einen positiven Effekt auf die durchschnittlichen mündlichen Textfähigkeiten der Klassen hatte. Obwohl sich die Intervention positiv auf das Verhalten der Lehrpersonen auswirkte, zeigte sich kein entsprechender Effekt auf die mündlichen Textfähigkeiten der Klassen. Es wurde eine tendenzielle Bestätigung für die Hypothese gefunden, dass die Erwerbsunterstützung durch die Lehrpersonen sich positiv auf die durchschnittlichen mündlichen Textfähigkeiten der Klassen auswirkte: Die im Herbst des ersten Kindergartenjahres gemessene Erwerbsunterstützung zeigte einen marginal signifikanten positiven Effekt auf die mündlichen Textfähigkeiten der Kinder im Winter des zweiten Kindergartenjahres.

Fazit für die Praxis

Mit der EmTiK-Studie konnte das Wissen über alltagsintegrierte Sprachbildung im Kindergarten erweitert und vertieft werden. Es erscheint plausibel, dass dieser Ansatz auch auf anderen Bildungsstufen gezielt für die Förderung bildungssprachlicher Fähigkeiten aller Kinder genutzt werden könnte, dies auch im Hinblick auf schriftliche Textfähigkeiten beim Lesen und Schreiben. Ob das Potential von Alltagsgesprächen unter den institutionellen Rahmenbedingungen der nachfolgenden Schulstufen tatsächlich besteht, und wie es gezielt für die Sprachbildung genutzt werden kann, ist Gegenstand zukünftiger Forschungsarbeiten.

Referenzen

  • Hausendorf, H. & Quasthoff, U. (1996). Sprachentwicklung und Interaktion: Eine linguistische Studie zum Erwerb von Diskursfähigkeiten. Opladen: Westdeutscher Verlag.
  • Isler, D., Hefti, C., Kirchhofer, K. & Dinkelmann, I. (2018). Entwicklung eines Instruments zur Einschätzung mündlicher Textfähigkeiten bei Kindergartenkindern. leseforum.ch, 2018/1, 1–20. Artikel auf leseforum.ch (PDF, 832 KB)
  • Piasta, S., Justice, L., Cabell, S., Wiggins, A., Turnbull, K. & Curenton, S. (2012). Impact of professional development on pre-school teachers’ conversational responsivity and children’s linguistic productivity and complexity. Early Childhood Research Quarterly, 27, 387–400.

Publikationen