Praktikum in der Schule Friedheim, ein Erfahrungsbericht

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Während der Ausbildung zur Schulischen Heilpädagogin hat Alexandra Kroll ein zehntägiges Praktikum in einem alternativen Arbeitsfeld zur Regelschule absolviert. Dies ermöglichte ihr einen Einblick in die Schule Friedheim in Bubikon.

«Da ich in der Umgebung wohne, spazierte ich schon oft an den Liegenschaften vorbei. Nun durfte ich den Alltag in der Schule Friedheim kennenlernen. Erzählte ich meinen Nachbarn, dass ich zwei Wochen in der Schule Friedheim arbeiten werde, entgegneten sie mir: «Da sind doch die extrem schwierigen Jugendlichen, die oft austicken!». Das negative Bild, welche viele Bewohner*innen der umliegenden Gemeinden von der Schule Friedheim haben, hatte sich unwillentlich auch in meine Gedanken geschlichen. Mit gemischten Gefühlen begann ich meinen ersten Arbeitstag. Was erwartete mich?

Begrüssungsritual

Begegnet ist mir in diesen zwei Wochen jedoch eine bunt gemischte Gemeinschaft von Menschen, die sich gegenseitig respektieren und meist sehr sozial miteinander umgehen und zusammenleben. Die Begrüssungsrunde morgens und nach der Mittagspause stärkt die Zusammengehörigkeit und den freundlichen Umgang. In einer solchen Begrüssungsrunde wurde ich vorgestellt. Zugleich werden diese Runden genutzt, um Mitteilungen direkt an die Jugendlichen weiterzugeben. Mir fiel auf, dass es sich oft um aufhellende Mitteilungen handelte. Auch das grosse Infobrett im Schulgebäude war ausschliesslich mit positiven Inhalten gefüllt. Dies stand im Gegensatz zu meinen bisherigen Erfahrungen in der Regelschule; an solchen Tafeln hingen immer Reglemente, Ranglisten und grosse To-do-Listen mit dem allgegenwärtigen imaginären Drohfinger.

Schulalltag

Die Schule Friedheim führt eine Mittelstufen- und zwei Oberstufenklassen. Lehrpersonen, Sonderpädagog*innen, Zivildienstleistende und der Hauswart versuchen die Schülerinnen und Schüler auf ihrem Wissensstand abzuholen, und entsprechend das Lernprogramm auf jedes einzelne Kind abzustimmen. Und falls das Lernen zwischendurch mal Mühe bereitete und eine Pause nötig war, war das gemeinsame Arbeiten mit dem Hauswart erlaubt. Diese Möglichkeit wurde rege genutzt.

Die gemeinsamen Projekte boten ebenfalls wertvolle Lernmöglichkeiten. Beim Giessen von Hoffnungslichtern aus gesammelten Wachsresten wurden Techniken vermittelt, wie man eine Kerze giesst. Es wurde aufgezeigt, dass eine gute, vorausschauende Planung erforderlich ist und anspruchsvolle Projekte nur in Zusammenarbeit und mit Einsatz von allen Beteiligten realisiert werden können. Gleichzeitig entstand eine ruhige Arbeitsatmosphäre, die übersprudelnde Emotionen abschwächte.

Ich war in allen Klassen und sämtlichen Fächern im Einsatz. Dies ermöglichte mir einen vertieften Einblick in den Schulalltag. Innert kürzester Zeit kannte ich die Kinder und Jugendlichen beim Namen. Mich berührte die Erfahrung, wie schnell sich die Schüler*innen trauten, auf mich zuzugehen, von sich zu erzählen und bei schulischen und persönlichen Problemen um Rat zu fragen. Dadurch fiel es mir leicht, mich zu integrieren und wohl zu fühlen.

Ereignete sich in der Schule ein Vorfall – meist etwas hoch Emotionales – nutzte man das gemeinsame Mittagessen, um die Situation zu besprechen und klarzustellen: Wir sind da, und wir lassen dich nicht alleine. Du bist als Mensch okay, aber dein Verhalten war es nicht. Gegenseitige Wiedergutmachungen wurden diskutiert, anschliessend von den Involvierten umgesetzt. Danach wurde der Vorfall «zu den Akten» gelegt, sodass das bereits Geschehene dem zukünftigen Lernen und Entwickeln der Kinder nicht im Weg steht.

Die Kinder und Jugendlichen wohnen jahrgangsdurchmischt in drei Wohngruppen. Sie werden mit grossem Engagement von Sozialpädagog*innen betreut und begleitet. Dieses gemeinschaftliche Zusammenleben, in dem gelernt, gearbeitet, gespielt, gelacht – und auch geweint, gestritten und diskutiert wird, beeindruckte mich sehr.

Erfahrungsschatz

Die eher belastenden Erwartungen und Vorstellungen, die sich im Vorfeld des Praktikums bei mir anhäuften, erwiesen sich als unbegründet. Ich habe eine unvergessliche Zeit erlebt und einen wertvollen Erfahrungsschatz aus diesem Praktikum mitgenommen. Der Ansatz der «Neuen Autorität» nach Haim Omer wird in der Schule Friedheim gelebt – und ich durfte ein Teil dieser Gemeinschaft sein.

Und ich habe wunderbare, soziale Jugendliche kennengelernt (von denen viele einen grossen Rucksack mit sich tragen) sowie ein Team, welches sich für die Zukunft der Kinder und Jugendlichen sehr engagiert. Zurück an der Regelschule vermisste ich diese besondere, an der Schule Friedheim allgegenwärtige, Atmosphäre. Diese Gemeinschaft rührte mich bei der Verabschiedung sogar zu Tränen und ich will dazu beitragen, die voreingenommenen und meiner Meinung nach falschen Bilder in den Köpfen meiner Nachbarn richtig zu stellen.»

Autorin: Alexandra Kroll, Studentin im Masterstudiengang Sonderpädagogik, Vertiefungsrichtung Schulische Heilpädagogik