«Rekonstruktives Fallverstehen ist der Schlüssel zur Professionalität»

Antrittsvorlesung

Heilpädagogische Fachpersonen müssen sich kritisch mit ihren eigenen Überzeugungen auseinandersetzen. Sonst drohen ausgrenzende Zuschreibungen.

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Daniel Hofstetter Titel Prof. Dr.

Funktion

Professor für Professionalisierung und Kompetenzentwicklung

Es ist eine Szene, wie sie in jedem Schulzimmer stattfinden könnte. Freitagnachmittag, die Kinder freuen sich aufs Wochenende, die Lehrerin Frau Hug möchte den Unterricht abschliessen – aber sie alle warten auf Sven, einen Schüler mit ADHS, der damit beschäftigt ist, das Riesenchaos unter seinem Pult zu bändigen. Wie immer. Wer als heilpädagogische Fachperson jetzt Rezepte erwartet, wie man Kinder wie Sven strukturieren kann, ist bei Daniel Hofstetter an der falschen Adresse. «Der Schlüssel zur Professionalität ist, das eigene Involviertsein in den Blick zu nehmen», sagt er im Rahmen seiner Antrittsvorlesung. Dort beschäftigte er sich mit der Frage, wie heilpädagogische Fachpersonen Distanz zur eigenen Praxis gewinnen können.

Sein Ansatz: Das rekonstruktive Fallverstehen. Vereinfacht gesagt bedeutet das, seine eigenen Gewohnheiten in pädagogischen Interaktionen zu entdecken, zu reflektieren – und dann zu verändern. Um das Beispiel von Frau Hug wieder aufzunehmen: Sie nimmt als Studentin der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik an einem Modul teil, in dem sie im Diskurs mit anderen Studierenden und unter Anleitung der Dozierenden rekonstruiert, wie diese Situation am Freitagnachmittag kollektiv hervorgebracht wird. Die Gruppe reflektiert, wie Sven «Typisch ADHS!» zugeschrieben wird. «Solche fixierenden Zuschreibungen bergen die Gefahr der Ausgrenzung und der Reproduktion sozialer Ungleichheiten» sagt Daniel Hofstetter, der sich im Übrigen nicht gegen einfache Handlungsanweisungen wehrt, aber klar meint: «Erst wenn man seine eigenen Denk- und Handlungsgewohnheiten reflektieren kann, ist man professionell.» Um zu erforschen, wie sich solche Denk- und Handlungsgewohnheiten entwickeln, hat Hofstetter zusammen mit Annette Koechlin das Forschungsprojekt «Inklusionsorientierte heil- und sonderpädagogische Professionalität» (INSIGHT) initiiert. Was dieses Projekt genau beinhaltet und welche Ziele Daniel Hofstetter mit seiner Professorenstelle verfolgt, erfahren Sie im folgenden Video-Interview. Moderator ist Dominik Gyseler.

Im Gespräch mit Daniel Hofstetter

Video-Abspann in Textform

Inklusionsorientierte heil- und sonderpädagogische Professionalität

  • Daniel Hofstetter, Prof. Dr.
  • Interview zur Professorenstelle für Professionalisierung und Kompetenzentwicklung
  • Gesprächsführung: Dominik Gyseler, Dr., HfH Wissenschaftskommunikation
  • Konzeption und Regie: Steff Aellig, Dr., HfH Wissenschaftskommunikation und Dominik Gyseler, Dr., HfH Wissenschaftskommunikation
  • Produktion: Beni Schafheitle, pixair.ch

«Inklusionsorientierte heil- und sonderpädagogische Professionalität» lautete der Titel der Antrittsvorlesung zur Professorenstelle von Daniel Hofstetter. Die HfH-Veranstaltung fand am 30. September 2021 vor Ort und online statt.

Autoren: Steff Aellig, Dr. und Dominik Gyseler, Dr., HfH Wissenschaftskommunikation