Lernende mit Körperbehinderungen: Subjektive Wahrnehmung des Integriertseins in der Schule (K-PIQ)

Kategorie Projekt

Ausgangslage und Ziele

Über 50 % aller Schülerinnen und Schüler mit einer Körperbehinderung gehen mittlerweile mit  Unterstützung seitens Schulischer Heilpädagogik integriert zur Schule. Wie geht es diesen Lernenden in der Schule, wie erleben sie ihr «Integriertsein» in der Klasse?  Fühlen sie sich wohl, haben sie Freundinnen, Freunde, macht ihnen das Lernen Freude? Sich in integriert fühlen ist in der aktuellen Lebenssituation für das Wohlbefinden wichtig und hat längerfristig eine Bedeutung für die Einschätzung der Schulbiografie. Spielt es dabei eine Rolle, welcher Art die Körperbehinderung der Schülerinnern und Schüler ist und welchen Schweregrad die Behinderung hat oder sind andere Faktoren wie z. B,. Lernvoraussetzungen relevanter für das Erleben des Integriertseins? Diesen Fragen geht die Studie nach.

Projektleitung

Martin Venetz

Funktion

Ehemaliger Leiter Zentrum Forschung und Entwicklung

Susanne Schriber Titel Prof. em. Dr.

Funktion

Emeritiert/Pensioniert

Fakten

  • Dauer
    08.2016
    04.2020
  • Neue Projektnummer
    3_19

Projektteam

  • Anne Stöcker
  • Carmen L. A. Zurbriggen

Fragestellung

  • Fühlen sich die Schülerinnen und Schüler mit Körperbehinderung in etwa gleich gut integriert wie die Kolleginnen und Kollegen der Klasse?
  • Decken sich die Einschätzungen der Erwachsenen (Klassenlehrperson, Schulische Heilpädagoginnen, -pädagogen bzw. pädagogische Mitarbeitende) mit denen der Schülerinnen und Schüler?

Methodisches Vorgehen

  • Mit dem einfachen Befragungsinstrument PIQ (Perceptions of Inclusion Questionnaire, vgl. Venetz, Zurbriggen & Eckhart, 2014) soll die Frage «Wie geht es dir in der Schule?» untersucht werden. PIQ ist ein Instrument zur subjektiven Selbsteinschätzung des Integriersteins für die 3. bis 9. Schulstufe. Integriertsein wird in emotionaler Hinsicht (Wohlbefinden), sozialer Hinsicht (positive Beziehungen zu Mitlernenden) und leistungsmotivationaler Hinsicht (Vertrauen in die eigene schulische Leistungsfähigkeit) verstanden. Das wissenschaftlich evaluierte Instrument umfasst 12 Fragen.
  • Es werden in dieser Pilotstudie vier Klassen aus dem Kanton Zürich, in welchen ein Schüler, eine Schülerin mit Körperbehinderung integriert ist, über drei Jahre hinweg untersucht (5. und 6. Klasse Primarstufe sowie 1. Klasse Oberstufe).
  • Anschliessend wird geprüft, ob die Untersuchung in einem grösseren Rahmen weitergeführt wird.

Nutzen für die Praxis

  • Die Klassenlehrperson erhält eine Übersicht der Selbsteinschätzung aller Schülerinnen und Schüler.
  • Die Fachpersonen Schulische Heilpädagogik, Pädagogische Mitarbeitende, Fachberatungen erhalten eine Rückmeldung, wie sich «ihre» Schülerinnen und Schüler mit Körperbehinderung im Vergleich mit ihren Kolleginnen und Kollegen einschätzen.
  • Die Fachpersonen der Praxis können gegebenenfalls im Rahmen von SSG oder anderen Gefässen das «Integriertsein» ausgewählter Schülerinnen und Schüler thematisieren und Interventionen zur Unterstützung des Integriertseins planen.  

Ergebnisse

Es zeigen sich kaum Unterschiede zwischen den Schüler:innen mit Körperbehinderung und ihren Peers im emotionalen Wohlbefinden, der sozialen Partizipation und dem akademischen Selbstkonzept in der Integration. Einzelne signifikante Unterschiede bestanden auf Klassenebene, zwischen den Geschlechtern sowie bezüglich Klassenstufen.

Im Übergang in die Sekundarstufe liegen die Selbsteinschätzungen der Schüler:innen mit Körperbehinderung teilweise höher als in der Primarstufe. Trotz Klassenwechsels kann der Übergang in die Sekundarstufe demnach eine Chance für die Integration sein.

Die Fremdeinschätzungen durch Klassenlehrperson, Schulische Assistenz und Schulische Heilpädagog:in weichen überwiegend negativ von der Selbsteinschätzung der Fokusschüler:innen ab. Signifikant niedriger sind die Fremdeinschätzungen der sozialen Partizipation.

Trotz der Limitationen der Pilotstudie durch Gelegenheitssampling, geringe Fallzahl und unkontrollierten Kontext verweisen die Ergebnisse auf weiteren Forschungsbedarf hinsichtlich der Selbst- und Fremdeinschätzungen schulischer Integration (bspw. unterschiedliche Bezugsnormorientierung und Vergleichshorizonte, aber auch Unterschiede zwischen den Fremdwahrnehmungen).

Die Studie unterstreicht die praktische Nutzbarkeit des Erhebungsinstruments Perceptions of Inclusion Questionnaire (PIQ) bspw. um unterschiedliche Perspektiven im Schulischen Standortgespräch sichtbar zu machen (Schüler:innen, Eltern, Lehrpersonen).

Literatur

  • Venetz, M., Zurbriggen, C. & Eckhart, M. (2014). Entwicklung und erste Validierung einer Kurzversion des «Fragebogens zur Erfassung von Dimensionen der Integration von Schülern (FDI 4–6)» von Haeberlin, Moser, Bless und Klaghofer. Empirische Sonderpädagogik, 6(2), 99-113.
  • Schriber, S. & Schwere, A. (2011). Spannungsfeld Integration. Impulse aus der Körperbehindertenpädagogik. Luzern: SZH.

Publikationen

  • Stöcker, A., Schriber, S., & Zurbriggen, C. L. A.
    (2019).
    Perceptions of Inclusion - Selbst- und Fremdeinschätzung von Schülerinnen und Schülern mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung im Bereich Körperliche und motorische Entwicklung im Übergang von der Primar- in die Sekundarstufe.
    Zeitschrift für Heilpädagogik,
    70
    (12),
    623–637.