Von Implizit zu Explizit beim MINT-Lernen

Kategorie Projekt

Ausgangslage und Ziele

Das vorliegende Forschungsprojekt ist Teil der Schweizer MINT-Studie, eine Längsschnittuntersuchung unter der Leitung von Prof. Dr. Elsbeth Stern der ETH Zürich. Im Rahmen dieser MINT-Studie führten Schülerinnen und Schüler Experimente durch, bei welchen physikalische Vorstellungen kooperativ und handelnd konstruiert, angepasst und abgeglichen wurden. Implizit wurden die Teilnehmenden so an das Thema «Variablenkontrolle» herangeführt. In der hier beschriebenen Studie «Von Implizit zu Explizit beim MINT-Lernen» führten insgesamt 139 Schüler und Schülerinnen aus sechsten Klassen Tests zum Thema «Variablenkontrolle» durch und wurden in Fördereinheiten zum Thema geschult.

Projektleitung

Daniela Nussbaumer Titel Prof. Dr.

Funktion

Professorin für MINT-Lernen und -Lernentwicklung unter erschwerten Bedingungen

Fakten

  • Dauer
    08.2016
    10.2018
  • Neue Projektnummer
    1_22

Projektteam

Fragestellung

Das Forschungsprojekt geht der Frage nach, inwiefern es Schülerinnen und Schülern – insbesondere solchen mit Schulschwierigkeiten – gelingt, implizit durch Experimente erfahrene Inhalte explizit wiederzugeben und auf neue Kontexte anzuwenden. Dazu werden die Lernenden aufgefordert, das implizit erworbene Wissen zum Thema «Variablenkontrolle» explizit zu erläutern. Bei Nichtgelingen der expliziten Wiedergabe, vertiefen die Lernenden die Inhalte zusätzlich in einer Fördereinheit. Folgende drei Aspekte stehen bei der Studie im Fokus:

  • Welchen Schülergruppen gelingt der Transfer von implizitem zu explizitem Wissen?
  • Können insbesondere Lernende mit einem tiefen Leistungsniveau ihr Potenzial bei schriftlichen Prüfungen zeigen?
  • Welche Lernende profitieren von der zusätzlichen Fördereinheit, bei welcher das Thema «Variablenkontrolle» explizit behandelt wird?

Methodisches Vorgehen

Zum Thema «Variablenkontrolle» werden schriftliche Tests und mündliche Interviews durchgeführt. In der mündlichen Testung wird mit Abbildungen und Objekten gearbeitet, sodass auch verschiedene Abstraktionsgrade berücksichtigt werden. Mit dem Vergleich zwischen mündlicher und schriftlicher Testung wird geprüft, inwiefern das Format der Testung die Performanz der Lernenden beeinflusst. Die Schülerinnen und Schüler, welche das Konzept «Variablenkontrolle» durch reines Experimentieren nicht aufbauen konnten, behandeln das Thema zusätzlich explizit in einer Fördereinheit von 2x2 Lektionen mit einer Heilpädagogin. Anschliessend wird der Wissenszuwachs wiederum mündlich und handelnd überprüft und mit Lesekompetenz, logischem Denken und Physikwissen in Verbindung gebracht.

Ergebnisse

Zwischen mündlichen und schriftlichen Testungen zeigen sich grosse Leistungsunterschiede, wobei die Teilnehmenden mündlich deutlich besser abschneiden. Dies ist vor allem bei Lernenden mit unterdurchschnittlicher und durchschnittlicher Lesekompetenz der Fall. Gute Leseleistungen und hohes physikalisches Wissen wirken sich positiv auf das Verständnis des Themas «Variablenkontrolle» aus. Bei der schriftlichen Testung erreichen 29% der Lernenden die maximale Punktzahl, während bei der mündlichen Testung 57% die Höchstpunktzahl erzielen. Es kann davon ausgegangen werden, dass 84% der Schülerinnen und Schüler das Konzept der «Variablenkontrolle» erfasst haben (min. 4 von 6 Aufgaben richtig). Die restlichen 16% haben die Lerninhalte explizit in einer Fördereinheit behandelt. In der anschliessenden Post-Testung haben wiederum 91% der Schülerinnen und Schüler das Konzept «Variablenkontrolle» verstanden. Aus einer latenten Profilanalyse geht hervor, dass Lernende mit schwachen Leistungen in Kognitions- und Lesetests und solidem Physikwissen durch die anschliessende Fördereinheit den grössten Wissenszuwachs erlangten. Lernende mit guten Leistungen in den Kognitions- und Lesetests aber mit weniger Physikwissen haben vergleichsweise kleinere Fortschritte erzielt. Zusammenfassend geht aus der Studie «Von Implizit zu Explizit beim MINT-Lernen» hervor, dass das Format der Testung die Performanz der Lernenden stark beeinflusst. Weiter lässt sich festhalten, dass Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten von expliziten Einheiten stark profitieren, wobei das Vorwissen unterstützend wirkt.

Publikationen

  • Nussbaumer, D., Thurn, C., Schumacher, R., & Stern, E.
    (2017).
    Who makes use of prior knowledge in a curriculum on proportional reasoning?
    In G. Gunzelmann, A. Howes, T. Tenbrink, & E. Davelaar (Hrsg.),
    Proceedings of the 39th Annual Conference of the Cognitive Science Society,
    2809–2814.