Das Handy allein löst keine Probleme

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Zürich, Bahnhofquai. Sie sitzen im Tram. Eine Frau, die neu zugestiegen ist, kommt direkt auf Sie zu, zückt ihr Handy und zeigt Ihnen wortlos den blau eingerahmten Bildschirm. Darauf steht ein Satz, den die Frau zusammen mit ihrer Bezugsperson vorher eingegeben hat: «Ich muss bei der Station Berninaplatz aussteigen. Können Sie mir ein Zeichen geben, wenn wir dort ankommen? Vielen Dank.» Sie nicken zur Bestätigung und machen der Frau knapp zehn Minuten später ein klares Handzeichen, damit sie sich rechtzeitig zum Aussteigen bereit machen kann.

Das wäre ein Beispiel eines erfolgreichen Einsatzes der Handy-App «BlueAssist»: Menschen, die Schwierigkeiten in der Kommunikation haben oder kognitiv beeinträchtigt sind, sollten damit wieder mobiler und selbständiger werden. Die App wird derzeit in Belgien, Holland, England, Kanada und in der Schweiz eingesetzt. Doch wie gut funktioniert sie in der Praxis? Dr. Monika T. Wicki von der Hochschule für Heilpädagogik (HfH) hat diese Frage im Rahmen einer kleinen Pilotstudie in Zürich und Genf erstmals in Europa untersucht und die Ergebnisse anlässlich der Ringvorlesung vom 23. Mai 2018 vorgestellt.

Es zeigte sich, dass die App von den angesprochenen Personen im öffentlichen Raum akzeptiert und begrüsst wurde. Zudem wurden die Menschen mit Einschränkungen tatsächlich mobiler. Aber, und das ist die eine Einschränkung: «Sie brauchen weiterhin die Unterstützung ihrer Bezugspersonen», so Monika Wicki, die konstatierte: «Die App allein löst keine Probleme.» Die weitaus gewichtigere Einschränkung betrifft allerdings die wissenschaftliche Ebene. Um wirklich belastbare Ergebnisse zu erhalten, wäre nun eine Studie mit deutlich grösserer Stichprobe erforderlich – für die Pilotstudie Forschungswebseite öffnen konnten lediglich 17 Personen mit Beeinträchtigungen gewonnen werden. Dies dürfte jedoch knifflig werden: «Die Verbreitung der App in der Schweiz hat sich als enorm schwierig erwiesen», sagte Monika Wicki und führte aus: «BlueAssist unterstützt eine sehr enge Zielgruppe, die nur schwer erreichbar ist». Fazit: Eine Fortsetzung des Projekts wäre zwar interessant – ist aber momentan offen.

Anlässlich der Ringvorlesung gab Dr. Monika Wicki ein Kurzinterview. Das Video finden Sie hier Link zum Video-Interview mit Dr. Monika Wicki.

Autor: Dominik Gyseler, Dr. phil.