Diagnostik und Förderung adaptieren

Antrittsvorlesung

Sprachförderung gelingt multiprofessionell besser. Worauf es dabei ankommt, erklären Karin Zumbrunnen und Britta Massie im Rahmen ihrer Antrittsvorlesung.

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Britta Massie Titel Prof., Dr. rer. biol. hum.

Funktion

Professorin für Sprachförderung und Sprachdidaktik in heterogenen Lerngruppen (in Stellenteilung)

Karin Zumbrunnen Titel Prof.

Funktion

Professorin für Sprachförderung und Sprachdidaktik in heterogenen Lerngruppen (in Stellenteilung)

So sieht heute eine ganz normale Schule aus: Kinder und Jugendliche mit mehrsprachigem Hintergrund sind in den meisten Klassen in der Mehrzahl. Einige von ihnen können noch kein Deutsch. Und seit einigen Monaten versucht man, ukrainische Schülerinnen und Schüler in die Regelklassen zu integrieren. «Mehrsprachigkeit ist grundsätzlich eine Ressource – die meisten von uns würden gerne mehrere Sprachen beherrschen», erklärt Karin Zumbrunnen, Professorin für Sprachförderung und Sprachdidaktik an der HfH. «Aber die wirksame Förderung von Deutschkompetenzen ist für viele Schulen eine grosse Herausforderung.» Karin Zumbrunnen ist überzeugt: Das gelingt nur, wenn die Fachpersonen ihre Ressourcen effektiv einsetzen und Schulen ein praxistaugliches Konzept für die Sprachförderung haben.

Stufenmodell des Förderbedarfs. In einem solchen Konzept werden die Schülerinnen und Schüler aufgrund ihrer unterschiedlichen Sprachkompetenzen in so genannte Förderstufen eingeteilt. Und je nach Stufe unterscheidet sich die Intensität der Diagnostik und Förderung. «Grundlage jeglicher Sprachförderung ist ein differenzierender Unterricht, der adaptiv individuelle Anschlussmöglichkeiten für alle Lernenden eröffnet», erklärt Zumbrunnen die unterste Stufe dieses Modells. Und erst, wenn dieser Unterricht nicht mehr greift, kommt eine spezifische Förderung zum Zug – etwa Logopädie, wenn es um Sprachstörungen geht. «Im Stufenmodell rutschen diese Schülerinnen und Schüler dann eine Förderstufe höher», erklärt Britta Massie, Logopädin und Professorin für Sprachförderung und Sprachdidaktik an der HfH. Und damit ändert sich auch die Form und Intensität von Diagnostik und Intervention.

Dynamische Diagnostik. Gerade bei Kindern und Jugendlichen mit mehrsprachigem Hintergrund greifen traditionelle diagnostische Verfahren zu kurz, um das sprachliche Potenzial adäquat einzuschätzen. «Kinder mit Migrationshintergrund zeigen oft Testleistungen am untersten Rand der Skala, wenn man einfach nur ihre Deutschleistungen misst», erklärt Britta Massie. «Wir wollen aber wissen, wie gross ihr Lernpotenzial ist, und vor allem: Mit welchen Fördermassnahmen können wir dieses Potenzial ausschöpfen?» Genau hier setzt die so genannten dynamische Diagnostik an. Dabei tritt die testende Person mit gezielten Unterstützungen in Interaktion mit dem Kind und schaut, wie es auf diese Intervention reagiert. «Es geht darum, zu prüfen, wie das Kind mit verschiedenen Hilfestellungen umgeht und wie gross dabei der Lernzuwachs ist», so Massie.

Multiprofessionelle Kooperation. Unterricht und spezifische Fördermassnahmen wie etwa Logopädie-Therapie oder DaZ-Förderung müssen eng verzahnt werden, damit sie die beabsichtigte Wirkung zeigen. «Es braucht Absprachen unter den Lehr- und Fachpersonen, welche Massnahmen für welche Kinder die passenden sind», sagt Karin Zumbrunnen. Und Britta Massie ergänzt: «Ganz wichtig in multiprofessionellen Teams ist die Klärung der Verantwortlichkeiten: Wer ist wofür zuständig?» Massie und Zumbrunnen bekleiden die Professorinnenstelle gemeinsam. Damit leben sie genau diese Multiprofessionalität vor, die sie auch von der Praxis fordern. Was haben sie in den nächsten drei Jahren vor? Und was ist der Mehrwert ihrer kooperativen Vorstellung von Sprachförderung? Die beiden Professorinnen erklären es im Video-Interview.

Video-Interview: Britta Massie und Karin Zumbrunnen im Gespräch mit Steff Aellig.

Der Titel der Antrittsvorlesung von Britta Massie und Karin Zumbrunnen lautete: Adaptivität und Inputspezifizierung in Diagnostik und Förderung von Sprachkompetenzen. Die Veranstaltung fand am 29. November 2022 an der HfH statt und wurde online übertragen. Sie war ein Anlass des Instituts für Sprache und Kommunikation unter erschwerten Bedingungen.

Autoren: Dominik Gyseler, Dr., und Steff Aellig, Dr., HfH-Wissenschaftskommunikation