Sozial-emotionales Lernen

Kategorie Institutsthema

Beim sozial-emotionalen Lernen (SEL) trainieren Kinder mit Verhaltensproblemen, ihre Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen zu regulieren. Wissenschaftliche Evaluationen zeigen: Es verbessert diese Kompetenzen und reduziert die Zuweisung zu sonderpädagogischen Massnahmen.

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Dennis Christian Hövel Titel Prof. Dr.

Funktion

Leiter Institut für Verhalten, sozio-emotionale und psychomotorische Entwicklungsförderung / Professor

Nicht separieren, sondern fördern. Kinder mit Verhaltensproblemen sind eine der grössten Belastungen in der Schule. Da ist es naheliegend, das System durch separative Angebote entlasten zu wollen. Doch das ist mit langfristigem Blick auf diese Kinder keine Lösung: «Ist das Ziel eine Teilhabe an unserer Gesellschaft, so ist der Kontakt mit nichtbelasteten Gleichaltrigen während der Schulzeit die stärkste treibende Kraft», sagt Dennis Hövel. Sein Ansatz: fördern statt separieren. Laut dem Institutsleiter und HfH-Professor muss der Aufbau von sozial-emotionalen Kompetenzen in einer Schulklasse ähnlich systematisch erfolgen wie beim Lesen, Schreiben oder der Mathematik. «Schüler:innen mit auffälligem Verhalten lernen das nicht nebenbei – sonst könnten sie es ja schon», so Hövel. Er setzt auf wissenschaftlich evaluierte Förderangebote wie das Sozial-emotionale Lernen, kurz SEL. Darunter sind Massnahmen zu verstehen, die die Förderung von fünf miteinander verbundenen Gruppen von kognitiven, affektiven und Verhaltenskompetenzen adressieren: Selbstbewusstsein, Selbstmanagement, soziales Bewusstsein, Beziehungskompetenz und das verantwortungsbewusste Treffen von Entscheidungen. Dieses fördert nicht nur die Entwicklung der Kinder, sondern reduziert nachweislich auch die Zuweisungen zu separativen Angeboten. Weil das System Schule gestärkt wird. 

Zyklus 1

Lubo. Die Hauptfigur ist Lubo aus dem All. Der sympathische Ausserirdische hilft den Kindern, ihre sozial-emotionalen Kompetenzen zu verbessern: Mit Gefühlen umgehen, Freundschaften aufbauen, Regeln einhalten. Dazu wird er in einem Zeitraum von vier bis sechs Monaten und zwei Mal wöchentlich in der ganzen Klasse eingesetzt. Die Evaluation zeigt: Das Training fördert das soziale Problemlösen von Kindern mit Verhaltensproblemen. Zudem sind die Kinder sozial besser akzeptiert – auch sechs Monate nach dem Training. Das Institut für Verhalten, sozio-emotionale und psychomotorische Entwicklungsförderung bietet eine Weiterbildung zum Lehrmittel «Lubo aus dem All»

PRiGS. Das Programm «Prävention und Resilienzförderung in Grundschulen» fördert die seelische Widerstandskraft und stärkt die personalen Schutzfaktoren von Kindern – etwa wenn sie gehänselt werden oder ihnen eine Prüfung total misslingt. Pro Schuljahr sieht das Programm zehn Einheiten à 45 bis 60 Minuten vor, die idealerweise im wöchentlichen Rhythmus stattfinden. Die Evaluation zeigt: Das Programm stärkt nicht nur das Selbstkonzept der Kinder, sondern verbessert das ganze Lernklima. Damit trägt es insgesamt zu einer resilienzförderlichen Schule bei.

Zyklus 2

Ben und Lee. Die Prävention von Gefühls- und Verhaltensstörungen ist eine zentrale Aufgabe inklusiver Schulen. Ben und Lee setzt genau hier an. Der Knabe Ben und das Mädchen Lee geraten durch einen geheimnisvollen Kompass auf eine Zeitreise. Bei den Piraten oder auch in der Zukunft lösen sie gemeinsam mit den Kindern Rätsel, die sich um ein gutes Miteinander drehen. Das Programm wird mit der ganzen Klasse durchgeführt und umfasst 34 Einheiten à 90 Minuten. Die Evaluation zeigt: Es fördert das prosoziale Verhalten der Kinder. Diese lernen darüber hinaus selbständiger und sind konzentrierter. Die Effekte sind bei Knaben indes stärker ausgeprägt.

Training mit aggressiven Kindern. Dieses Training verfolgt umfangreiche Ziele: Die Kinder sollen sich mit aggressivem Verhalten auseinandersetzen, angemessen mit sich selbst sprechen lernen, Konsequenzen ihres Verhaltens vorhersehen, Bildgeschichten verstehen und viele Wege einer Konfliktlösung kennen. Es umfasst ein Einzeltraining von 8 bis 13 Sitzungen, anschliessend folgt ein Kleingruppentraining (drei bis vier Kinder) von 6–12 Sitzungen. Die Evaluation zeigt: Das aggressive Verhalten nimmt ab. Stattdessen sind die Kinder kooperativer und übernehmen mehr Verantwortung.

Zyklus 3

SNAKE. Hier ist der Name Programm: «Stress nicht als Katastrophe erleben». Jugendliche werden in acht Doppellektionen dabei unterstützt, aktuelle Belastungssituationen besser zu bewältigen. Zudem werden sie auf den Umgang mit zukünftigen Stresssituationen vorbereitet. Das Programm wird in der Regel im Schulsetting angeboten und lässt sich gut im Schulalltag integrieren. Die Evaluation zeigt: Situationen, die Stress erzeugen, werden anders bewertet und bewältigt. Zudem wird das Programm von den Jugendlichen gut akzeptiert.

Medienhelden. Dieses Programm dient zur Prävention von Cybermobbing und Förderung der Medienkompetenz von Jugendlichen im Alter von 12 bis 16 Jahren im Schulkontext. Es kann im regulären Schulunterricht oder als Projekttag durchgeführt werden. Die Evaluation zeigt: Mit dem Programm wird das Cyber-Mobbing eingedämmt. Es erhöht das Wohlbefinden und stärkt die subjektive Gesundheit.

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