Eritreische Kinder im Zürcher Bildungssystem (EKiZ)

Kategorie Projekt

Ausgangslage und Ziele

In den nächsten Jahren werden in der Schweiz mehrere tausend Kinder eritreischer Herkunft eingeschult. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass viele dieser Kinder den Übertritt ins schweizerische Bildungssystem nur mit besonderer Unterstützung schaffen bzw. aufgrund von Problemen im Lernen und im Verhalten nach relativ kurzer Zeit ausgesondert und in Sonderschulen und/oder Heime platziert werden. Die meisten eritreischen Eltern sind durch ihre besondere Herkunftssituation und ihre Fluchterfahrungen im Unterschied zu anderen Migrantengruppen stärker belastet, teilweise sogar traumatisiert. Nur wenige Eltern sind erwerbstätig. Diese Konstellation erschwert die Integration aller Familienmitglieder. Bisher gibt es noch keine umfassende systemische Forschung über eritreische Familien in der Schweiz und darüber, wie die Bildungschancen der Kinder ggf. besser gewahrt werden könnten.

Projektleitung

Susan Christina Annamaria Burkhardt Titel Dr. phil.

Funktion

Advanced Researcher

Andrea Lanfranchi Titel Prof. Dr.

Funktion

Emeritiert/Pensioniert

Fakten

  • Dauer
    04.2015
    12.2015
  • Neue Projektnummer
    1_18

Projektteam

Finanzielle Unterstützung

Fragestellung

  • Welche Mechanismen der Zuweisung zu sonderpädagogischen Massnahmen und zu Sonderschulen oder Heimen liegen vor? Wann, wo und wie entsteht zum Beispiel das Urteil «lernbehindert» oder «verhaltensauffällig» und wer entscheidet worüber in diesem Procedere?
  • Welche Integrations- und möglicherweise Segregationsprozesse werden sichtbar?
  • Gibt es intrafamiliale Prozesse, die die Integration in der Schule bzw. generell in die schweizerische Gesellschaft erleichtern oder erschweren?

Methodisches Vorgehen

A. Deskriptiver Teil

Deskription der schulischen Situation eritreischer Kinder anhand von eigenen Auswertungen der Bildungsstatistik (bista) der Bildungsdirektion des Kantons Zürich.

B. Explorativer Teil: Qualitative Einzelfallstudien

Gestützt auf Interviews mit ca. fünf eritreischen Familien, die nach dem Verfahren der Fallkontrastierung ausgewählt werden, will das Forschungsteam die Wirklichkeit dieser Familien «von innen her» verstehen und sogenannte Fallstrukturhypothesen erstellen (Hildenbrand, 1999). Die Grounded Theory nach Glaser & Strauss (1998), die Objektive Hermeneutik (Oevermann et al., 1979) und die ethnobiographische Fallrekonstruktion mit der Analyse von Genogrammen (Lanfranchi, 1994; Hildenbrand, 2005) bilden den methodologischen Rahmen.

Ergebnisse

Eritreische Kinder können als besonders benachteiligt angesehen werden, denn sie sind im Bereich der integrierten Sonderschulung, bei der Sonderschulquote und bei Klassenwiederholungen übervertreten. Gleichzeitig besuchen sie weniger häufig Sek A-Schulen und öfter Sek C-Schulen als Kinder aus dem Irak, Afghanistan oder der Schweiz.

In ca. 80% der Familien ist der Vater abwesend. Die Gründe sind vielfältig. Folglich sind die Mütter in der Regel alleinerziehend mit mehreren und zum Teil sehr kleinen Kindern. Sie sind auf sich alleine gestellt, ohne Grosseltern oder andere Familienangehörige und Freundinnen und somit ohne Austauschmöglichkeit, soziale Kontakte und informelle Unterstützungssysteme.

Die Analyse bekräftigt die Notwendigkeit von Integrationsbemühungen auf mehreren Ebenen:

  1. Unterstützung der immigrierten Väter in ihrer neuen Rollenfindung und Identitätsbildung in der Schweiz trotz Arbeitslosigkeit und Sprachproblemen.
  2. Integrationsbemühungen gerichtet an Mütter, besonders an alleinerziehende Mütter, Mütter mit mehreren Kindern und an Mütter ohne eigenes soziales Netzwerk, mit dem Ziel, grossfamilienähnliche Strukturen aufzubauen.
  3. Präventive, evidenzbasierte und intensive Investitionen im frühkindlichen Alter mit dem Ziel, die Familie als Bildungsort zu stärken und die Lernanregungen für die Kinder zu erhöhen.
  4. Unterstützung von Lehrpersonen bei der gezielten Förderung von eritreischen Schülern und Schülerinnen, damit sie ihre Bildungschancen in der Schule voll ausschöpfen können.

Publikationen

  • Lanfranchi, A.
    (2016).
    Kinder aus Kriegsgebieten in der Schule.
    Schulblatt Aargau/Solothurn,
    133
    (2),
    11–12.
  • Burkhardt, S. C. A.
    Eritreische Kinder in der Schweiz – schulische und soziale Aspekte: Hauptvortrag
    [Konferenzvortrag].
    Tagung „Schulalltag mit Flüchtlingskindern - Tagung für Lehrkräfte und schulnahe Fachpersonen aller Volksschulstufen“ der Fachstelle für die Beratung und Integration von Ausländerinnen und Ausländern Luzern,
    Luzern, Schweiz.
  • Burkhardt, S. C. A.
    Eritreische Kinder in der Schweiz – Schulische und soziale Aspekte.
    Herbstmeeting Kompetenznetzwerk Frühe Kindheit,
    Zürich, Schweiz.
  • Lanfranchi, A.
    (2015).
    Tipps für die Schule. Umgang mit Schülerinnen und Schülern aus Kriegsgebieten.
    Heilpädagogik aktuell,
    (16),
    Artikel 6.
  • Burkhardt, S. C. A., & Lanfranchi, A.
    Critical Factors for academic and familial Development of Eritrean Refugee Children in Switzerland – A qualitative Study
    [Konferenzvortrag].
    EABCT Annual Congress (European Association for Behavioural and Cognitive Therapy),
    Antalya, Turkey.