Den Familien auf Augenhöhe begegnen

Tagungsrückblick

Heilpädagogische Früherzieher:innen brauchen für ihre Arbeit eine ganze Reihe unterschiedlicher Kompetenzen. Das zeigte die Tagung «Interaktionsräume in der Heilpädagogischen Früherziehung» vom 12. November 2022 eindrücklich.

Kontakt

Christina Koch Titel Prof.

Funktion

Professorin für Heilpädagogik der Frühen Kindheit / Leiterin Master Heilpädagogische Früherziehung

Kolja Ernst

Funktion

Senior Lecturer

Augenschein bringt wichtige Informationen. Das Treppenhaus liegt im Halbdunkeln. Die Beleuchtung im Hauseingang ist defekt. Als die Heilpädagogische Früherzieherin die Treppen hochsteigt, wehen ihr Gerüche von Küchen aus aller Welt in die Nase. Die Familie, die sie heute besucht, wohnt im dritten Stock. Es geht um Leila, dreijährig, starke Körperbehinderung. Vor der Wohnungstür liegen Kinderschuhe kreuz und quer verstreut. Hier funktioniert das Licht. Die Fachperson für Früherziehung drückt auf den Klingelknopf. «Das Besondere an unserer Arbeit ist, dass wir die Familien bei sich zuhause besuchen. Sehr oft leben diese Familien in einer belasteten Situation», sagt Christina Koch, Co-Leiterin der Tagung. «Für eine professionelle Unterstützung ist es wichtig, dass schon vor dem eigentlichen Eintritt in die Wohnung möglichst viele Informationen zum Kontext aufgenommen werden können», so Koch.

Augenkontakt öffnet Interaktionsräume. Leilas Vater öffnet die Tür. Zwar lächelt er der Heilpädagogischen Früherzieherin freundlich zu, aber in seinen Augen liest die Fachfrau anderes: Unsicherheit und Sorge, auch Belastung und Stress. «Mit dem ersten Augenkontakt öffnen sich unterschiedliche Interaktionsräume», ist Christina Koch überzeugt. Fachlich kann man diese Interaktionsräume mit dem Bild eines Dreiecks darstellen: An je einer Ecke steht das Kind, seine Eltern und die Heilpädagogische Fachperson. «Interaktionsräume entstehen zwischen den einzelnen Beteiligten, aber auch in der Mitte», beschreibt Christina Koch das Modell. Für die nachfolgenden Ausführungen soll der Fokus auf die Interaktion zwischen Eltern und der Fachperson gelegt werden.

Augenhöhe ist eine Schlüsselkompetenz. Kolja Ernst, Co-Leiter der Tagung, nennt die Schlüsselkompetenzen, die eine Heilpädagogische Früherzieherin mitbringen muss, wenn sie Eltern wirksam unterstützen will: «Es braucht neben dem Fachwissen auch eine hohe Sozialkompetenz. Ganz entscheidend dabei ist die Haltung gegenüber der Familie.» Es gehe darum, der Familie auf Augenhöhe zu begegnen und echtes Interesse für ihre Situation zu zeigen, führt Ernst aus. Sozialkompetenz und Haltung: Im nachfolgenden Video-Interview erklären die beiden Tagungsleitenden, Christina Koch und Kolja Ernst, worum es dabei genau geht.

Video-Interview: Christina Koch und Kolja Ernst im Gespräch mit Dominik Gyseler.

Fachwissen bringt Sicherheit. Neben einer hohen Sozialkompetenz und einer der familiären Situation angemessenen Haltung ist Fachwissen die dritte Schlüsselkompetenz, welche Früherzieherinnen für ihre Arbeit mitbringen müssen. Davon ist die Tagungsreferentin Andrea Caby aus Hamburg überzeugt. Als Medizinerin, Psychotherapeutin und Supervisorin ist sie Expertin für die Kommunikation und Interaktion zwischen Heilpädagogischen Früherzieherinnen und Eltern. Sie sagt: «Die Vermittlung von Information über die Behinderung und Entwicklungsmöglichkeiten ihres Kindes hat für viele Eltern einen hohen Stellenwert.» Das bringe Sicherheit, aber auch Zuversicht. Und diese sei gerade für Familien wie jene mit Leila ganz zentral. «Wird unsere Tochter je laufen können?», wurde die Ärztin in ihrer Praxis von Eltern gefragt. Wie man als Heilpädagogische Früherzieherin in einer solchen Situation kompetent reagiert, erzählt uns Andrea Caby im nachfolgenden Video-Interview.

Video-Interview: Andrea Caby im Gespräch mit Steff Aellig.

Die Tagung «Interaktionsräume in der Heilpädagogischen Früherziehung» fand am 12. November 2022 an der HfH statt. Sie war ein Anlass des Instituts für Behinderung und Partizipation und wurde von Prof. Christina Koch und Kolja Ernst geleitet. Die Tagung wurde durch Live-Visualisierung von «Denkpinsel» Michael Meier begleitet. Seine Bilder entstehen sofort und bieten einen hervorragenden Überblick. Im Titelbild dieses Beitrags erhalten Sie einen Eindruck davon.

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Autoren: Steff Aellig, Dr., und Dominik Gyseler, Dr., HfH-Wissenschaftskommunikation