Bedeutungsvolle Kommunikationssituationen schaffen

Reportage

DaZ-Lehrpersonen müssen ein breites Wissen über Sprachstruktur und Spracherwerb haben, fordert Anke Sodogé. Aber zentral für den Erfolg der Förderung ist die Schaffung einer anregenden kommunikativen Umgebung. Und das sei Aufgabe der ganzen Schule.

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Karin Zumbrunnen Titel Prof.

Funktion

Professorin für Sprachförderung und Sprachdidaktik in heterogenen Lerngruppen (in Stellenteilung)

Anke Sodogé Titel Prof. Dr.

Funktion

Senior Researcher

Grosse Unterschiede in Qualität. «Die Vorstellungen, was eine gute DaZ-Förderung ist, gehen weit auseinander und hängen immer noch zu stark von der einzelnen Lehrperson ab», sagt Anke Sodogé. Die Leiterin des HfH-Instituts «Kommunikation und Sprache unter erschwerten Bedingungen» muss es wissen: Im Rahmen eines kantonalen Auftrags hat sie die Praxis der DaZ-Förderung evaluiert. Ihr Fazit aus diesem vertieften Einblick in Unterricht und Förderung: «Es braucht einen grösseren Konsens über die Qualität der Förderung. Hier sind die Kantone gefordert, einheitliche Standards zu definieren», so die Expertin.

Wissen und Können. Aus fachlicher Sicht ist klar, welche Kompetenzen Lehrpersonen brauchen, um eine gute DaZ-Förderung umzusetzen. Da ist zuerst einmal das Wissen über die Meilensteine des Spracherwerbs. «Wenn Kinder und Jugendliche mit mehrsprachigem Hintergrund Deutsch lernen, so durchlaufen sie im Prinzip dieselben Phasen des Spracherwerbs wie kleine Kinder mit Deutsch als Muttersprache», sagt Anke Sodogé. Die ehemalige Sonderschullehrerin hat die Besonderheiten beim Sprachlernen zu ihrem Forschungs- und Lebensthema gemacht. Ganz wichtig ist ihr dabei die Verbindung von Theorie und Praxis: «DaZ-Lehrpersonen müssen ihr breites linguistisches Wissen in eine Förderung umsetzen, die auf den Sprachstand der Kinder passt.» Damit sind wir beim Können: Da geht es insbesondere um die kompetente Durchführung und Auswertung von diagnostischen Verfahren. Und um sprachförderliche Rückmeldungen, wenn ein Kind sagt: «Da, der Auto!»

Haltung ist zentral. Sprachstruktur und Wortschatz sind wohl Grundlage der Förderung, reichen aber noch aus, damit Kinder und Jugendliche kompetent werden in der Fremdsprache Deutsch. «Der Anreiz, eine Sprache zu lernen ist nicht, normgerechte Sätze zu produzieren. Es geht darum, mit der Umwelt in Beziehung zu treten und die Umgebung mitgestalten zu können», ist Anke Sodogé überzeugt. Das gelte übrigens nicht nur für mehrsprachige Kinder, die Deutsch lernen, sondern für alle Menschen, unabhängig vom Alter und der Sprache, die sie lernen. Und deshalb ist das Wichtigste in der DaZ-Förderung, eine möglichst anregende kommunikative Umgebung zu schaffen. «Deutsch Lernen soll Spass machen», so Sodogé.

Verankerung in der ganzen Schule. Damit die Kommunikation in den Mittelpunkt rückt, darf eine Schule die DaZ-Förderung nicht einfach an die DaZ-Lehrpersonen delegieren. «DaZ-Förderung muss alle im Schulhaus angehen», fordert die Fachfrau für Sprachlernen. Entscheidend für den Erfolg der Förderung – und damit für die Chancengerechtigkeit aller Lernenden – sei es, wie DaZ in einer Schule verankert und organisiert sei. Und dabei gibt es wichtige Fragen, die an einer Schule geklärt werden müssen, so zum Beispiel: Wann braucht es eine individuelle Förderplanung? Oder: Wann ist DaZ in Kleingruppen effizienter als integrativ in der Klasse? Anke Sodogé antwortet darauf: Im nachfolgenden Video-Interview.

Anke Sodogé im Gespräch mit Steff Aellig: Video-Interview

Platz für verschiedene Sprachen. Wissen, Können und Haltung – um diese Kompetenzbereiche bei DaZ-Lehrpersonen zu schärfen, hat die HfH ein spezifisches Modul entwickelt. Für Karin Zumbrunnen, HfH-Dozentin und Leiterin dieses Moduls, geht es dabei nicht nur um die reine DaZ-Förderung, sondern um den offenen und bewussten Umgang mit Mehrsprachigkeit im Unterricht. «Im multikulturellen Umfeld unserer Schulen müssen verschiedene Sprachen Platz haben – auf dem Pausenplatz wie auch im Unterricht», fordert Zumbrunnen. «Funktionale Mehrsprachigkeit» heisst der Fachbegriff in diesem Zusammenhang. Im Wahlmodul «Deutsch als Zweitsprache und Mehrsprachigkeit» (siehe unten) gehe es unter anderem darum, diese Bewusstheit bei Lehrpersonen zu fördern. So gebe es beispielsweise im normalen Unterrichtsgeschehen für DaZ-Lernende Besonderheiten, die die Lehrpersonen kennen müssen: «Insbesondere die so genannten «W-Fragen», welche im Unterricht oft vorkommen, sind für Schüler:innen mit mehrsprachigem Hintergrund viel schwieriger zu verstehen, als bisher angenommen», erklärt Zumbrunnen. Und deshalb ist sie überzeugt: «Je differenzierter Lehrpersonen über die wesentliche Merkmale im Zweitspracherwerb Bescheid wissen, desto passender kann die DaZ-Förderung gestaltet werden.»

Wahlmodul «Deutsch als Zweitsprache und Mehrsprachigkeit»

Die HfH bietet ein spezifisches Modul, um die oben beschriebenen Kompetenzen zu entwickeln. Ziel ist, dass Lehrpersonen befähigt werden, den mehrsprachigen Lernenden ein erfolgreiches Sprachhandeln zu ermöglichen. Mit dem Abschluss des Moduls und des Masterstudiengangs SHP erhalten die Teilnehmenden eine zertifizierte Lehrbefähigung in DaZ.

Autoren: Steff Aellig, Dr., und Dominik Gyseler, Dr., Wissenschaftskommunikation, HfH