Stotterchamp 2023: Erlebnis- und Therapiewoche in neuer Umgebung

Kategorie News

Das einzigartige Camp ermöglicht Jugendlichen seit über 20 Jahren einen selbstbewussten Umgang mit Stottern. Dieses Jahr fand die Woche nahe der Stadt St. Gallen statt.

Kontakt

Wolfgang G. Braun Titel Prof.

Funktion

Senior Lecturer, Leiter Förderzentrum

Michèle Frey ist Teil des Leitungsteams und übernimmt seit Jahren die Live-Berichterstattung aus dem Stottercamp. Während der Woche übernimmt sie den Instagram-Account der HfH. Nachfolgend sind die Eindrücke aus dem Intensivtherapiewoche zusammengefasst.

Der erste Tag. Nachdem die Jugendlichen auf dem Campgelände abgekommen sind, gab es einige Aktivitäten, um sich kennenzulernen und als Gruppe zusammenzuwachsen. Die Erlebnispädagogik bietet hier tolle Kooperationsübungen! Und im neuen Campgelände eröffnen sich viele Möglichkeiten.

Neben den sprachtherapeutischen Angeboten finden tagsüber auch erlebnispädagogische Aktivitäten wie Klettern, Niedrigseilgarten und Bogenschiessen statt, die eng mit den sprachtherapeutischen Zielen verbunden sind. In diesem Bereich arbeitet die Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik (HfH) eng mit dem Institut für Erlebnispädagogik der CVJM Hochschule Kassel (Deutschland) zusammen.

Diverse sportliche Aktivitäten sind ein wichtiger Teil des Stottecamps.

Gemeinsam am Lagerfeuer sitzen. Das Lagerfeuer ist jeden Abend eine gute Gelegenheit, auf den Tag zurückzublicken und zu reflektieren, was das Highlight des Tages war und wie die vorgestellte Technik umgesetzt werden konnte.

Die Erfahrungen der letzten 20 Jahre zeigen, dass das Stotterchamp den 11- bis 18-Jährigen hilft, Ängste und Schamgefühle beim Kommunizieren abzubauen. Sogar Jugendliche, die bereits vorher therapeutische Erfahrungen gemacht haben, profitieren von der Gruppentherapie.

Das Lagerfeuer ist Treffpunkt, ein Ritual und zugleich ein Ort für Austausch und Reflexion.

Was haben Klettern und Stottertherapie gemeinsam? Da gibt es mehr Parallelen als man denken würde. Zuerst durften die Jugendlichen ohne Anleitung 30 Minuten frei klettern. Schon bald sassen einige erschöpft auf der Matte, weil ihnen die Kraft in den Armen fehlte. Dann zeigten wir den Jugendlichen drei kleine Tricks und Klettertechniken, und die Jugendlichen durften mit den Techniken erneut an die Wand. Der Unterschied war direkt spür- und sichtbar: Mit viel weniger Kraftaufwand zum Ziel zu kommen und viel kontrollierter in der Wand zu stehen, ist viel leichter als sich mit Kraft an der Wand hochzukämpfen.

Mit Kraft und unter grosser Anstregung gegen das Stottern anzukämpfen, ist ganz schön ermüdend und führt oft zu noch mehr Druck, Anspannung im Körper und letztendlich oft zu einem stärkeren Stottern. Hingegen hilft es, mit der richtigen Tehnik das Stottern zu verändern oder Blockaden mit der Blocklösestrategie zu lösen. Diese Strategie ist viel effektiver, kontrollierter, um einiges angenehmer und benötigt keinen grossen Kraftaufwand. Das Fazit: Mit Technik das Sprechen und Stottern zu verändern, ist viel leichter, als mit Kraft und Anstrengung dagegen anzukämpfen. Diese ganzkörperliche Erfahrung ist für die Jugendlichen oft ein Aha-Erlebnis. Und es macht auch richtig viel Spass, diese Erkenntnis an einer coolen Kletterwand zu machen.

Die richtige Technik hilft sowohl beim Klettern – als auch beim Stottern.

Das Bogenschiessen. Erfolgserlebnisse durch Technik, Kopplung mit der Atmung, volle Konzentration auf sich selbst und den Moment, Nachspüren: Alles Parallelen, die zwischen dem Bogenschiessen und der Stottertherapie gezogen werden können. In den letzten Tagen lernten die Jugendlichen den Umgang mit Pfeil und Bogen und hatten viele Gelegenheiten, sich mit dem Bogenschiessen zu beschäftigen. Und wir alle sind uns sicher: Wenn die Jugendlichen nach dem Camp nochmals Bogenschiessen, dann starten sie nicht mehr bei Null, sondern haben Techniken und Erfahrungen, auf die sie zurückgreifen können. Und genau so ist es auch beim Sprechen! Die Techniken, Erinnerungshilfen und Erfahrungen aus dem Camp bilden eine Basis, mit der die Jugendlichen gestärkt in Situationen gehen werden.

Sein Zi-Zi-Ziel im Auge behalten. Mutig bleiben. Am Ball bleiben. Das Ziel weiterverfolgen... Und all dies können die Jugendlichen in der Zeit nach dem Camp tun: Sie haben nämlich noch einen «Pfeil im Köcher» – ihre Technik!

Es ist etwas ganz Besonderes, neun junge Menschen auf ihrem Weg mit ihrem Stottern und Sprechen so intensiv zu begleiten. Wir wünschen allen Jugendlichen, dass sie ihre Ziele weiterverfolgen können und ganz nach dem Motto «Ich bleibe mutig» zurück in ihren Alltag kommen. Liebe Stotterchamps, es war eine unglaublich tolle Zeit mit euch!

Autorin und Fotografin: Michèle Frey