SPRINT: Mehrsprachige Kinder zur Kommunikation bewegen

Reportage

Manchen Kindergartenkindern fehlen grundlegende kommunikative Fähigkeiten, um sich im Alltag zurechtzufinden. Mit dem neu entwickelten Förderkonzept SPRINT soll dies geändert werden. Es setzt auf Bewegung und Alltagsnähe.

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Karoline Sammann Titel Prof.

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Leiterin Institut für Sprache und Kommunikation

Es ist nur ein kurzer Moment im Kindergarten in Opfikon, aber er zeigt das Problem deutlich auf. Die 5-jährige Leila, ein schüchternes Mädchen mit grossen dunklen Augen, zupft zögerlich an der Lehrperson rum, die neben ihr steht. Leila, in der Schweiz geboren und mit Italienisch und Serbisch aufgewachsen, ist offensichtlich auf der Suche nach einem Gegenstand, mit dem sie spielen will. Sie braucht dringend Hilfe, schaut die Lehrperson aber nicht an und hat praktisch keine deutschen Wörter, mit denen sie ihrem aktuellen Bedürfnis Ausdruck verleihen könnte.

Keine Kommunikation. «Im Kindergarten gibt es vermehrt Kinder wie Leila, die schlicht nicht in die Kommunikation kommen», sagt Bea Abegg, Schulleiterin in Opfikon. Und die Probleme dieser Kinder sind gravierend: Es fehlt ihnen nicht einfach an Wortschatz oder Grammatik, sondern um grundlegende Werkzeuge wie Blickkontakt, Mimik und Gestik, damit sie überhaupt mit anderen Menschen in Kontakt kommen können. «Es geht hier nicht um die spezielle Förderung einzelner Kinder mit Migrationshintergrund, sondern darum, ganze Gruppe von Kindergartenkindern in grundlegenden kommunikativen Fähigkeiten zu fördern», betont Bea Abegg. Opfikon, eine Schulgemeinde mit einem hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund und DaZ, hat reagiert: «SPRINT war für uns ein Rettungsanker», sagt Bea Abegg: «Es ist zwar keine Therapie, aber eine fundierte Möglichkeit, diese Kinder überhaupt erst mal gezielt zu unterstützen.»

Bewegung und Alltag. SPRINT – das ist das Konzept zur «Förderung von pragmatisch-kommunikativen Kompetenzen bei mehrsprachigen Kindern in der Zweitsprache Deutsch», das von Anke Sodogé und Karoline Sammann an der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik (HfH) entwickelt wurde. «Die Grundidee ist, diese Kinder alltagsbezogen und bewegungsorientiert zu fördern», sagt Karoline Sammann (s. Video unten). Alltagsbezogen heisst, dass wichtige und wiederkehrende Situationen wie etwa die Begrüssung im Zentrum stehen. «Im Gegensatz zu vielen anderen Programmen stehen bei SPRINT nicht sprachstrukturelle Merkmale im Zentrum, sondern die Kommunikation», hebt Anke Sodogé einen bedeutenden Baustein des Konzepts hervor. Ein weiterer ist die Bewegung: «Ein Kindergartenkind wie Leila mag es, sich zu bewegen und kleine Sprach- und Kommunikationsspiele zu machen», sagt Karoline Sammann.

Digitales Angebot mit Spielideen. Auf dieser Basis haben Karoline Sammann und Anke Sodogé ein digitales Angebot entwickelt, das sprachförderliche und bewegungsorientierte Spielideen beinhaltet. «Weil Sprache und Wortschatz eben noch nicht genügend da sind, trainieren wir basale kommunikative Strategien», sagt Karoline Sammann. So übt Leila zum Beispiel, in einem Geschäft die Verkäuferin zu begrüssen, ihr in die Augen zu blicken, wenn sie mit ihr spricht und sich am Schluss bei ihr zu bedanken, um die Kommunikation höflich zu beenden. Der Clou: Diese Spielideen schaffen in erster Linie einen niederschwelligen Zugang zu mehrsprachigen Kindern, sind aber grundsätzlich dafür geeignet, alle Kindergartenkinder kommunikativ zu fördern. Wie man sich diesen Einsatz konkret vorstellen kann, erzählt Karoline Sammann im folgenden Video-Interview.

Informationen zum Video. Während dem Interview werden Kinder in Therapie gezeigt. Das Interview wird geführt von Dr. Steff Aellig, Wissenschaftskommunikation HfH. Der Gesprächsgast ist Karoline Sammann, Projektleiterin SPRINT, HfH.

Video-Interview mit Karoline Sammann

Autoren: Dominik Gyseler, Dr. und Steff Aellig, Dr., Wissenschaftskommunikation, HfH