Jede Schule reagiert anders

Kategorie News

Zwanzig Jahre haben sie den fachlichen Diskurs mitgeprägt: Daniel Barth mit einem soziologischen Blick auf die Heilpädagogik und Remi Frei im Thema Autismus. Nun gehen die beiden in den Ruhestand – und berichten von Spannungsfeldern, welche die pädagogische Praxis auch künftig bewegen werden.

Kontakt

Steff Aellig Titel Dr. phil.

Funktion

Senior Consultant

Dominik Gyseler Titel Dr. phil.

Funktion

Senior Lecturer

Nicht häufiger als früher. Heute ist sie fast schon zu einer Modediagnose geworden: ASS – Autismus-Spektrum-Störung. Das war nicht immer so, erinnert sich HfH-Dozent Remi Frei: «Jahre bevor ich in Fribourg für den Elternverein Autismus Schweiz tätig war und danach an die HfH gekommen bin, habe ich mit jungen autistischen Erwachsenen gearbeitet – und wusste damals nicht einmal, was diese hatten!» Über zwei Jahrzehnte hinweg haben dann Remi Frei und seine Kolleg:innen das Wissen und Bewusstsein rund um das Thema Autismus erweitert und der pädagogischen Praxis zugänglich gemacht. Heute sind ihre Weiterbildungs- und Beratungsangebote gefragter denn je. Gibt es denn tatsächlich immer mehr Menschen mit Autismus? «Nein», ist Remi Frei überzeugt, «nach heutigem Wissensstand hat lediglich die Sensibilität für diese Besonderheit im Denken, Wahrnehmen und Kommunizieren zugenommen – und damit auch die Diagnose ASS.»

Jede Schule reagiert anders. Daniel Barth blickt mit der soziologischen Brille auf solche Phänomene. «Die gesellschaftliche Wahrnehmung von Aufwachsen und Identität verändert sich mit der Zeit, wird differenzierter. Das sieht man beispielsweise auch in der Gender-Thematik», so Barth. Aber feststellen lässt sich eine gewisse Fragmentierung der Lebenswelten. «Die Kinder wachsen vermehrt in destabilisierten Familiensituationen auf. Und das kann Schwierigkeiten im Erleben und Verhalten begünstigen», ist der Soziologe und Heilpädagoge überzeugt. Jede Schule reagiere anders auf diese Spannungsfelder. Auch Kinder und Jugendliche mit Autismus erzeugen ein solches Spannungsfeld. Remi Frei begleitet Schulen im Umgang mit dieser Herausforderung. «Viele Schulen haben sich als Kollektiv auf den Weg gemacht, um ihre ‹Autismuskompetenz› zu erhöhen», sagt Remi Frei. Und mit Blick in die Zukunft: «Diese Entwicklung muss unbedingt weitergehen.»

Im Gespräch mit Steff Aellig erzählen Remi Frei und Daniel Barth, welche Bedeutung diese Themen für sie haben.

Daniel Barth und Remi Frei im Gespräch mit Steff Aellig (Podcast).

Weitere Informationen und Weiterbildungsangebote

Sie brauchen Wissen und Kompetenz im Umgang mit ASS? Profitieren Sie vom umfangreichen Know-how der HfH-Expert:innen:

  • Sie haben Fragen zu einem konkreten Fall und wünschen sich Beratung? Kontaktieren Sie die Fachstelle Autismus.
  • Wenn die anderen eine Geheimsprache haben: Ob Floskeln, Körpersprache, Ironie oder Mimik – was für uns vertraute Bestandteile der Kommunikation sind, müssen Menschen mit Autismus mühevoll entziffern. Auf hundert Neurotypische kommt durchschnittlich ein Mensch mit der Diagnose Autismus. Was sie bräuchten, um besser in ein Gespräch zu kommen, zeigte die Tagung «Autismus und Kommunikation» vom 25. Januar 2019. Zum Tagungsrückblick, inkl. Interview mit Remi Frei
  • Für den Erfolg in schwierigen Situationen mit Kindern und Jugendlichen braucht es beides: Auf der individuellen Handlungsebene eine gefüllte «Werkzeugbox», und auf der Ebene der ganzen Schule eine gute Kooperationskultur. Überraschend ist, dass Schulteams auch dann tragfähig sein können, wenn sie einfach nur über Kinder plaudern. Zur Reportage, inkl. Interview mit Daniel Barth

Autoren: Dominik Gyseler, Dr. und Steff Aellig, Dr., HfH Wissenschaftskommunikation; Juni 2023