Autismus erhält Aufmerksamkeit

Kategorie News

In den letzten Jahren begegnen wir in Schulen immer häufiger Kindern mit einer Autismusdiagnose. Am Weltautismustag steht die Frage im Fokus: Sind die Schulen auf die Integration der Kinder mit Autismus ausreichend vorbereitet?

Kontakt

Andreas Eckert Titel Prof. Dr.

Funktion

Professor für Kommunikation und Partizipation bei Autismus

Bei Autismus handelt es sich um eine komplexe neurologische Entwicklungsstörung. Der aktuelle diagnostische Begriff der Autismus-Spektrum-Störung zeigt auf, dass heute nicht von einem einheitlichen Bild des Autismus gesprochen wird. Vielmehr stellen die Autismus-Spektrum-Störungen ein breites Kontinuum an Erscheinungsformen ohne scharfe Konturen dar. Gemeinsam haben alle Kinder mit Autismus, dass sie in der Kommunikation und dem Miteinander mit anderen Menschen häufig Auffälligkeiten zeigen und dass ihre Interessengebiete und Aktivitäten vielfach eingeschränkt sind.

Die Forschung geht aktuell davon aus, dass etwa bei einem Prozent aller Kinder die Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung gestellt werden kann. Der markante Anstieg der Diagnosestellungen, den wir in der Schweiz insbesondere in den letzten zehn bis zwanzig Jahren beobachten, lässt sich durch folgende Faktoren erklären:

  • In der Autismusdiagnostik wurden grosse Fortschritte gemacht.
  • Die Präsenz des Themas Autismus in den Medien hat deutlich zugenommen.
  • Fachpersonen haben ihr Autismuswissen sichtbar erweitert.
  • Sowohl Eltern als auch Fachpersonen sind somit stärker für eine Abklärung sensibilisiert.

Sind die Regelschulen auf die Integration von Kindern mit Autismus ausreichend vorbereitet?

Prof. Dr. Andreas Eckert ist Professor für Kommunikation und Partizipation bei Autismus-Spektrum-Störungen an der HfH und meint dazu:

«An zahlreichen Regelschulen verfügen die Lehrpersonen über ein Basiswissen zum Thema Autismus, an manchen Schulen treffen wir zudem auf Fachpersonen mit Expertenwissen und vielfältigen Vorerfahrungen. Gleichzeitig besteht an vielen Regelschulen weiterhin ein Mangel an Fachpersonen sowie an Kenntnissen über günstige Rahmenbedingungen und passende Unterstützungsangebote für Kinder mit Autismus. Dort ist das Risiko erhöht, dass Kinder von der Regelschule in ein Sondersetting wechseln.

Für Kinder mit einem besonders hohen Unterstützungsbedarf kann der Besuch einer Heilpädagogischen Schule oder einer Sonderschule im Einzelfall sicherlich ein richtiger Weg sein. Jedoch sollte die Entscheidung nicht grundsätzlich von einer mangelnden Autismusfreundlichkeit der einzelnen Schule abhängen. Vielmehr sollten sich alle Schulen auf den Weg begeben, den individuellen Bedürfnissen der Kinder mit Autismus zunehmend gerecht zu werden.

Teils sind es nur geringe Anpassungen des Unterrichts, wie die Bereitstellung eines sehr strukturierten, vorhersehbaren Ablaufs oder die Nutzung von Visualisierungshilfen und einer eindeutigen Sprache, die den Kindern bereits manche Situationen erleichtern können.

Neben der Begleitung und Beratung der Schulen durch die Schulpsychologischen Dienste sowie durch externe Beratungsstellen mit Autismuserfahrung kommt dabei der Erweiterung des Wissens und der Kompetenzen im Schulhaus eine wichtige Bedeutung zu, beispielsweise durch Weiterbildungen.

Dass das Interesse an vielen Orten sehr gross ist, erleben wir bei der hohen Nachfrage nach Weiterbildungsangeboten. So sind verschiedene Kurse und unser jährlich stattfindender CAS Autismus-Spektrum-Störungen im Kindes- und Jugendalter regelmässig gut gebucht.»

Interview. Ein Interview mit Prof. Dr. Andreas Eckert zum Thema Autismusfreundliche Schulen ist am 12. März 2022 im Zürcher Unterländer erschienen und für registrierte Nutzer:innen oder Abonnent:innen zugänglich. Zum Artikel (online)

Möchten Sie sich zum Thema Autismus weiterbilden?

Am 9. September 2022 findet die Tagung Good-Practice bei Autismus – Gelingende Förderung und Begleitung in der Schweiz an der HfH statt.

Den Schwerpunkt der Tagung bildet die Vermittlung von Grundlagen sowie Perspektiven der Begleitung und Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Autismus in der Schweiz: Welche Förder- und Unterstützungsangebote gibt es? Welche Gelingensfaktoren sind entscheidend? Wo können Spannungsfelder entstehen?

Neben einführenden Referaten zum aktuellen wissenschaftlichen Stand, werden Praxisbeispiele zu folgenden Themenbereichen präsentiert und diskutiert: a) Begleitung und Förderung im frühen Kindesalter, b) Begleitung und Förderung im Schulalter (Schulische Förderung/ Therapie), c) Berufsvorbereitung, berufliche Integration und selbstbestimmtes Wohnen sowie d) Beratung und Begleitung des Umfeldes. Weitere Informationen und Anmeldung

Ausserdem startet der CAS Autismus-Spektrum-Störungen im Kindes- und Jugendalter im September 2022. Die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Autismus-Spektrum-Störungen ist notwendig, um die Kinder und Jugendlichen besser zu verstehen und ihnen adäquate Angebote der Förderung und Begleitung bereitstellen zu können. Weitere Informationen